Die Proben zu «Roméo et Juliette» haben angefangen. Aus Frankreich ist der Regisseur Vincent Huguet mit seinem Team angereist, in den Werkstätten sind sie schon seit längerem dran, das Ensemble des Luzerner Theater ist musikalisch vorbereitet – und sozusagen um die Ecke des Theaters schwingt sich die Sopranistin Regula Mühlemann täglich aufs Fahrrad und fährt zu den Proben. Denn sie singt hier in Luzern ihre erste Juliette.

«Was möchtest du gerne singen?» – mit dieser Frage des Intendanten Benedikt von Peter an die junge Luzernerin hat es angefangen. Und Regula Mühlemann gefiel die Vorstellung, in ihrer Heimatstadt einmal länger zu proben und zu singen, und vor allem gefiel ihr die Vorstellung, hier etwas Neues ausprobieren zu können – bei aller Liebe zu Mozart! «Ich wollte ein neues Fach ausprobieren, mit einer Hauptrolle ins romantische Repertoire eintauchen, ich wollte an meine Grenzen gehen, ja, ich hatte Lust auf ein künstlerisches Risiko, aber nur, weil das ganze Drumherum stimmt und mir Sicherheit gibt: die Grösse des Hauses, die Menschen, die hier arbeiten und die Umgebung, die mir halt vertraut ist.» Also win-win für alle!

Ziemlich ungewöhnlich, wie sich Regula Mühlemann und Benedikt von Peter kennen gelernt haben. Natürlich wusste man voneinander, aber es brauchte erst eine taufrische CD, die die beiden sozusagen zueinander geführt hat. Das fing mit einer Mail an, die eines Tages in der Intendanten-Mailbox landete. Absender: Regula Mühlemann, die anfragte, ob sie nicht ihre CD-Taufe vielleicht in der «Box» machen könnte. «Ich wollte dieses Ereignis einfach feiern, wie eine Band das auch tut. Immerhin mein Erstling! Und gleich bei einem grossen Label!» Damit stiess sie bei Benedikt von Peter auf offene Ohren und im weiteren haben die beiden gemeinsam in kurzer Zeit einen Tauf-Event gestemmt. «Wir hatten full house, es war ein grosser Erfolg, und ich war einfach nur glücklich!»

Und danach kam eben von Peters Vorschlag des «Komm-wir-machen-mal-was-zusammen», worauf sich Regula Mühlemann nach ihren künstlerischen Wünschen befragte und schliesslich Gounods Juliette vorschlug.

Da sind wir jetzt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Juliette ein Mädchen von ca. fünfzehn Jahren ist, in einer der tonangebenden veroneser Familien lebt, vermutlich haben ihr Hauslehrer das Lesen und Schreiben beigebracht, vielleicht war da noch ein netter Musiklehrer, der sie im Lautespielen unterrichtete, ansonsten ist Juliette eigentlich auf der Welt, um in nächster Zeit gut verheiratet zu werden. Und «gut» heisst in diesem Fall: gewinnbringend für die Familie.

Während Regula Mühlemann tagtäglich ihr Leben selber bestimmt, keine Zofen und keine Bediensteten hat und demnächst keinen älteren, reichen Grafen heiraten muss.

Juliette ist also in allem das pure Gegenteil von ihr und von ihrem Leben. Und trotzdem fiel die Wahl auf sie. Warum?

Jetzt hat Regula Mühlemann viel Mozart gesungen, viel barockes Repertoire, meistens in italienischer oder deutscher Sprache. Gounods Oper aber ist französisch. Und so schön diese Sprache auch klingt, so tricky ist sie doch zum Singen – mit all diesen nasalen Klangkillern!

Aber Sätze wie «Et mon honneur se fie au tien ô mon seigneur» mit all diesen en und on und den Bindungen, die sind doch – pardon l’expression! – tierisch zum Singen?

Und auch das mit dem französischen R ist eine heikle Sache. Rollt man es vorne, profitiert der Klang, aber wirklich französisch klingt das nicht. Spricht man es im Hals aus, wie man es in der gesprochenen Sprache tut, versteht man zwar den Text besser, aber dafür geht es auf den Klang. Schwierige Situation!

Darauf kommen wir zurück, Regula!

Luzerner Theater