„CD DES MONATS“ (Opernwelt)
Das größte Kompliment, das Mozart je einer Sängerin machte, galt der von ihm nicht nur als Gesangskünstlerin angehimmelten jungen Aloysia Weber: Sie habe die für sie komponierte Konzertarie «Non sò d’onde viene» KV 294 mit genau jenem Geschmack (gusto), jener Methode (metodo) und jenem Ausdruck (espressione) gesungen, die er sich gewünscht habe. Von Gesangstechnik ist hier nicht die Rede, sie galt Mozart als selbstverständliche Voraussetzung des Vortrags der Musik, für den das Wissen um die richtige Gestaltung sowie die Einbeziehung von Verzierungen und vor allem leidenschaftliche Hingabe zentral waren. Mozarts Lobpreis auf Aloysia Weber kam mir in den Sinn, als ich das jüngst erschienene Album mit Mozart-Arien der jungen Schweizer Sängerin Regula Mühlemann hörte. (…) Ein Stück wie Servilias „s’altro che lacrime“ aus „la clemenza di Tito“ ist vielleicht sogar einer der Höhepunkte dieses späten Werks, und Regula Mühlemann lässt diese Arie mit ihrer warm timbrierten Stimme aufs Schönste zur Geltung kommen. In Sandrinas „Geme la tortorella“ aus „la finta giardiniera“ findet sie den richtigen Ton des Klagens und Seufzens (…) In Blondes „Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln“ zeigt Regula Mühlemann eine wunderbare Verbindung von Koloraturgewandtheit und Lust am Spiel mit Klangfarben, gepaart mit einer selten gewordenen Genauigkeit und Klarheit der Textartikulation. Und sie beweist bei der Auszierung der Arie „Geschmack“ und „Methode“. Hinreissend gelingt ihr die Darstellung des komödiantischen Schwankens zwischen Zuneigung und Ablehnung in der Einlagearie „Voi avete un cor fedele“ KV217. Auch der Seria-Ton liegt ihr, wie die blitzsauber gesungene Celia-Arie „Strider sento la procella“ aus „Lucio silla“ und die Motette „Exsultate, jubilate“ zeigen. (…) Arien, die der Sängerin ein enorm weites Spektrum gesangstechnischen Könnens abverlangen. Regula Mühlemann meistert die Koloraturpassagen mühelos, nimmt sich Zeit zur Ausgestaltung zahlloser Nuancen und beeindruckt durch emotionale Wärme. Sie singt, um eine weitere Wendung Mozarts aufzugreifen, „zum herzen“.
OPERNWELT
THOMAS SEEDORF