Frauenkirche Dresden Concert Review
Die junge, sympathische Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann begeisterte in Dresden schon in der Kreuzkirche im „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy sowie im ZDF-Adventskonzert in der Frauenkirche. Jetzt sang sie erneut an diesem Ort und zeigte sich von einer ganz anderen Seite und zwar „Leidenschaftlich“, wie der Titel des in aufgelockerter Form gestalteten Abends lautete.
Als „Auftakt“ begann das in historisch orientierter Aufführungspraxis auf alten Instrumenten musizierende La Folia Barockorchester, wie es in der Barockzeit üblich war, ohne expliziten Dirigenten, nur unter der Leitung des 1. Konzertmeisters und Gründers des Orchesters, Robin Peter Müller mit der „Sinfonia“ aus „Cleopatra e Cesare“ des Barockkomponisten Carl Heinrich Graun, in die Regula Mühlemann, langsam und leise von der Seite heran wandelnd, mit einer kürzeren, aber halsbrecherischen Koloratur-Arie aus dieser Oper einstimmte.
In dieser Gestaltungsform, zuweilen schon während des Gehens singend und damit für Abwechslung und Kurzweil und eine gelöste Atmosphäre sorgend, folgten weitere Arien aus Barock-Opern, u. a. von Giovanni Legrenzi, Alessandro Scarlatti, Antonio Vivaldi u. a. Sie alle hatten das prickelnde Thema der legendären ägyptischen Herrscherin Kleopatra zum Inhalt, die die mächtigsten Männer ihrer Zeit wie Gaius Julius Caesar und Marcus Antonius verführte, die sonst Legionen befehligten, ihretwegen aber ihr Ansehen und ihre Karriere riskierten.
Die ursprüngliche große Kunst des Belcanto-Gesanges, die schwer zu erlernen ist, dann aber scheinbar so leicht und schwerelos „dahinperlt“, scheint endgültig verloren zu sein. Ähnlich der gegenwärtigen Grand-Dame der Barock-Opern, Cecilia Bartoli, sang auch Regula Mühlemann alle Höhen und Tiefen, einschließlich lockerer Triller und anderer Verzierungen perfekt aus, naturgemäß mit größerer Anstrengung als bei der früheren Belcanto-Technik und ohne deren fließende Leichtigkeit, was aber den Arien eine gewisse Dramatik verlieh.
Opern leben und lebten auch besonders in der Barockzeit von Kontrasten. Da Macht und Erfolg oft nicht ewig dauern, sanken eines Tages auch Schönheit und Einfluss der Herrscherin vom Nil. Als ihre Macht in Rom unterzugehen drohte, soll sie ihrem Leben mit einer Giftschlange ein Ende gesetzt haben, was den Opernkomponisten Anlass zu wehmütigen, beschaulichen, zu Herzen gehen Arien bot, die der Stimme und Mentalität der Mühlemann besonders entgegenkommen.
Während der erste Teil noch eine gewisse „Strenge“ verriet, wurde die Atmosphäre nach der Pause viel gelöster. Mit Hingabe widmete sich Regula Mühlemann dieser anderen Seite von Stimmkunst und künstlerischem Ausdruck. Sie sang berührend, mit geschmeidiger, wunderbar klingender Stimme, ausdrucksstark und wie „eingebettet“ in die Klänge des Orchesters, die Arie „Che sento, oh dio ! – se pieta di me non senti“ aus der Oper „Giulio Cesare in Egitto“ von Georg Friedrich Händel, die als ein seelenvoller Abschied vom Leben und „Sterben in Schönheit“ zum Gipfelpunkt dieses Abends wurde und allein schon den Besuch dieses Konzertes gelohnt hätte, der mit der Arie „Morte col fiero aspetto orror“ aus „Marc’Antonio e Cleopatra“ von Johann Adolf Hasse stilvoll ausklang. Unter genau dem gleichen Titel hatte auch Allessandro Scarlatti eine Oper geschrieben, aus der ebenfalls eine Arie (im ersten Teil) erklang.
Als „Zwischenspiele“ und Kontrast zu den Arien erklangen verbindende Instrumentalstücke, die „Sinfonia“ aus der Hasse-Oper, aber auch das mit besonderer Klangschönheit und Verve musizierte, leicht rhythmisch betonte „Concerto grosso ‘La folia‘ nach der „Sonate op. 5 Nr.12 von Arcangelo Corelli und das „Konzert für Violine, Streicher und Basso contuinuo D Dur (RV 208) von Vivaldi, bei dem die Sätze in kluger Programmgestaltung die Opernarie von Allessandro Scarlatti umschlossen und zu einer Arie aus Vivaldis Oper „Il Tigrane (RV 740) überleiteten. Den Solopart hatte der „Chef“ mit schlankem, sehr schönem Ton, Virtuosität und Stilgefühl übernommen.
Die Bezeichnung „La Folia“ (Kühnheit, Wildheit, Ausgelassenheit, Lustbarkeit, Freiheit) gab dem Barockorchesters den Namen, das jedoch nie ausufernd, sondern immer den guten Geschmack wahrend und von Robin Peter Müller ohne große Gesten „im stillen Einvernehmen“ in zügigem, straffem, aber nicht sich überstürzendem, Tempo geleitet wurde.
Das begeisterte Publikum entließ Sängerin und Orchester erst nach zwei Zugaben, als erste Kleopatras Arie „Quando voglio“, aus der Oper (ebenfalls) „Giulio Cesare in Egitto“, dieses Mal aber von Antonio Sartorio, der schon tot war, als Händel geboren wurde. Dabei ließ auch die Harfenistin ihre dunkle, sinnliche Stimme hören. Bei der 2. Zugabe trat wieder Regula Mühlemann voll in Erscheinung mit „Mein Leben ist hin“ von Händels Rivale Johann Mattheson, der sich einst mit Händel nicht nur künstlerisch, sondern auch mit dem Degen duellierte.